Rutherford und der Atomkern


Ernest Rutherford
Durch eine Vielzahl von genialen und teilweise sehr mühsamen Experimenten konnten Ernest Rutherford und seine Mitarbeiter, vor allem Hans Geiger und Ernest Marsden, um 1900 in Manchester die verschiedenen Formen der Radioaktivität (α, β und γ) trennen und charakterisieren. β-Strahlung besteht aus schnellen Elektronen, α-Strahlung aus Heliumatomkernen und γ-Strahlung aus sehr energiereichen Photonen, die der Röntgenstrahlung ähneln. Kaum waren diese Strahlen identifiziert, wurden sie auch schon als Hilfsmittel verwendet, um die Struktur der Materie, also den Aufbau der Atome zu untersuchen. Rutherford beschoss eine Goldfolie mit α-Teilchen und maß deren Ablenkung. Er ist damit der Erfinder der Streuversuche, mit denen noch immer kleinste Objekte untersucht werden. Gold hat übrigens den Vorteil, dass man daraus sehr dünne aber trotzdem noch haltbare Folien herstellen kann. Man kann dann davon ausgehen, dass an der Streuung nur wenige Partner beteiligt sind und die Interpretation nicht zu kompliziert wird.
Laborbuch
Rutherford und seine Mitarbeiter fanden heraus, dass die meisten α-Teilchen nur geringfügig abgelenkt wurden, wie es nach der Vorstellung von einem eher weichen Rosinenkuchenatom zu erwarten wäre. Einige aber wurden praktisch in ihre ursprüngliche Richtung zurückgeworfen. Rutherford schrieb, das sei so unvorstellbar gewesen, als habe man mit einer Kanone auf ein Blatt Seidenpapier geschossen und das Geschoss sei zurückgekommen. Im Atom musste es eine kleine dichte Massenkonzentration geben, den Atomkern, die α-Teilchen ablenken konnte.
Damit war Thomsons Modell Geschichte und Rutherford fühlte sich aufgerufen, selbst eines zu konstruieren. Die abgebildete Seite seines Laborbuches zeigt den hoffnungsvollen Beginn und das diffuse Ende. Rutherford begann einfach mit "Coulombkraft gleich Zentralkraft", merkte aber schnell, dass es so nicht geht: Eine rotierende Ladung muss nach Maxwells Gesetzen der Elektrodynamik Energie abstrahlen. Dieser Energieverlust würde das Atom in Sekundenbruchteilen destabilisieren. Mit der klassischen Physik war dieses Problem nicht zu lösen; eine neue Idee musste her. Sie kam von Niels Bohr und verband auf geniale Art klassische und Quantenphysik.