Siebens Sachen

Was heißt schon alt?

Walther RMKZ 16



Meine Walther RMKZ 16 ist ein typisches Beispiel für eine mechanische Rechenmaschine nach dem Prinzip "Sprossenrad", wie sie noch bis in die Siebziger Jahre (des 20. Jahrhunderts!) gefertigt wurde. Meine kommt aus dem schönen Ort Niederstotzingen, der damals noch zu Württemberg gehörte. Sie muss also vor 1952 gebaut worden sein. Die "16" bezieht sich auf die Stellenanzahl im Ergebniswerk. Ähnliche Maschinen wurden im Laufe der Zeit zu Zehntausenden produziert.

Walther


Einfache Rechnungen (Addition und Subtraktion) erschließen sich mit einigen Blicken auf die Maschine von selbst. Allerdings muss man auch dabei darauf achten, immer volle Kurbelumdrehungen zu machen, weil das gute Stück sonst blockieren kann. Die Walther und jede vergleichbare Maschine hat:

• ein
Einstellwerk, mit dem Zahlen eingegeben werden (die Schieber und Anzeigen im oberen Bild rechts zu erkennen),
• ein
Resultatwerk zur Anzeige der Ergebnisse (im oberen Bild unten rechts) und
• ein
Umdrehungswerk zur Anzeige der ausgeführten Kurbeldrehungen (im oberen Bild unten links).

Dazu kommen
Kurbeln und Hebel zum Löschen einzelner Werke, zur Bewegung des Schlittens mit Einstellwerk und Umdrehungswerk und natürlich zum Durchführen der Rechnungen (Addition im Uhrzeigersinn - Plusdrehung, Subtraktion dagegen - Minusdrehung). Bei Rechnungen mit Dezimalstellen helfen farbige Skalen im Einstellwerk und Schieber an Resultat- und Umdrehungswerk.

"Einfache" Rechnungen
Für viele Jahre waren mechanische Rechenmaschinen das
Rückgrat der "Datenverarbeitung". Ein mit solchen Maschinen ausgestattetes "Rechenzentrum" sah so aus. Computer war damals eine Berufsbezeichnung (Bildquelle: alchetron.com)

HumanComputers


Entsprechend wurden nicht nur die folgenden einfachen Rechnungen damit erledigt, sondern auch wirklich komplexe. Dazu wurden maschinengeeignete Prozeduren (
Algorithmen) entwickelt, die dann eingeübt werden mussten. Eine für mich überraschende Methode zum Wurzelziehen steht im Zusammenhang mit einem Beitrag in der Abteilung Mathemagie. Beispiele und Rechenschritte habe ich der Anleitung zu Schubert-Rechenmaschinen DRV/DW bzw. CRV/CW (leider ohne Datum) entnommen.

123,25 + 6543,21 + 0,89 = 6667,35
• Resultat- und Umdrehungswerk löschen
• Schlitten ganz nach links bringen
• 123,25 im Einstellwerk einstellen, eine Plusdrehung, Einstellwerk löschen
• 6543,21 im Einstellwerk einstellen, eine Plusdrehung, Einstellwerk löschen
• 0,89 im Einstellwerk einstellen, eine Plusdrehung
Im Resultatwerk erscheint das
Ergebnis 6667,35. Im Umdrehungwerk steht eine "3" für die drei Summanden

178,24 - 0,72 - 53,90 = 123,62
• Resultat- und Umdrehungswerk löschen
• Schlitten ganz nach links bringen
• 178,24 im Einstellwerk einstellen, eine Plusdrehung, Einstellwerk löschen
• 0,72 im Einstellwerk einstellen, eine Minusdrehung, Einstellwerk löschen
• 53,90 im Einstellwerk einstellen, eine Minusdrehung
Im Resultatwerk erscheint das
Ergebnis 123,62. Im Umdrehungwerk steht eine "1". Schwieriger wird es, wenn man jetzt noch 200,00 subtrahieren will. Ein Glöckchen zeigt das Problem an. Bei manchen Rechenmaschinen gibt es einen zusätzlichen Hebel, mit dem man das Problem lösen kann, bei meiner Walther nicht.

25,36 x 89,40 = 2.267,184
Bei der Multiplikation trennen sich die Amateure von den Profis. Eigentlich geht es darum, einen Faktor im Einstellwerk zu haben und den anderen im Umdrehungswerk. Im Resultatwerk steht dann das Ergebnis. Das kann man unterschiedlich schlau machen. Bei diesem Beispiel müssen auch die Dezimalstellen berücksichtigt werden (zwei plus eine). Ich mache das als Nichtprofi so.
• Resultat- und Umdrehungswerk löschen
• 25,36 im Einstellwerk einstellen (Das Komma ist nur gedacht.)
• Schlitten auf Position 2 bringen, 4 Plusdrehungen
• Schlitten auf Position 4 bringen, 9 Plusdrehungen (geht besser)
• Schlitten auf Position 3 bringen, 1 Minusdrehung
Im Umdrehungswerk steht jetzt wie gewünscht 8940 und im Resultatwerk 22671840. Das Komma gehört (drei Stellen weil die 0 in 89,40 nicht zählt) zwischen 7 und 8.
Ergebnis: 2.267,1840

572,27 : 89 = 6,43
Eine übersichtliche Methode ist die
Division durch Subtraktion.
• Resultat- und Umdrehungswerk löschen, Wagen in z.B. Position 6 bringen
• 572,27 im Einstellwerk einstellen und mit einer Plusdrehung in das Ergebniswerk übertragen
• Einstellwerk und Umdrehungswerk löschen
• 89,00 im Einstellwerk einstellen
Jetzt folgt eine Reihe gleicher Operationen bis im Ergebniswerk nur Nullen erschienen oder das Ergebnis genau genug ist. Das Ergebnis 643 steht jetzt im Umdrehungswerk. Die Position des Dezimalkommas ergibt sich durch Überschlag und damit ist das
Ergebnis 6,43.
• Minusdrehungen bis zum "Glöckchen", dann eine Plusdrehung
• Wagen eine Position weiter nach links bewegen usw.

√(3145) = 56,0803
Mit dem "
Wurzelziehen" beginnt für mich die "höhere" Arithmetik. Ich kenne niemanden, der das ohne elektronische Hilfe kann. Im Netz findet man auch Anleitungen für höhere Wurzeln, Logarithmen, Polynome (Horner-Schema) usw. Die Fähigkeiten der mechanischen Rechenmaschine sind nur durch die Fähigkeiten der "Kurbeldreher" begrenzt. Im Vergleich zum Rechenschieber punkten sie durch viele sichere Ziffern im Ergebnis. Und jetzt zur Wurzel.

Die
Rechenmethode basiert auf der fortlaufenden Subtraktion ungerader Zahlen, die dem Mathematiker Professor Töpfer zugesprochen wird (Methode Töpfer). Warum das funktioniert steht (teilweise) hier. Den Radikand soll man sich in Zweiergruppen eingeteilt vorstellen: 31 45 00. Zum ersten Mal in diesen Beispielen muss man auf den Zählwerkssteuerhebel achten. Der steuert, wie Kurbelumdrehungen bilanziert werden. Er muss hier auf "Minus" stehen

√(3145) = 56,08
• Resultatwerk löschen und den Wagen
ganz nach rechts verschieben
• 3145 ganz links im Einstellwerk einstellen und mit einer Plusdrehung in das Resultatwerk bringen
• Umdrehungswerk löschen, Zählwerkssteuerhebel auf "Minus"
• im (gelöschten) Einstellwerk über der 1 von 3145 (erste Gruppe) die 1 als erste ungerade Zahl eintragen
Wie bei der Division werden jetzt dieselben Operationen
wiederholt, bis das Ergebnis genau genug ist oder die Rechnung nicht mehr fortgesetzt werden kann, weil schon bei der Subtraktion der 1 das Glöckchen klingelt.
• Minusdrehung
• das mit 3, 5, 7 und 9 wiederholen bis das Glöckchen klingelt -> Plusdrehung
• die letzte ungerade Zahl im Einstellwerk um 1 vermindern und in der Stelle rechts davon eine 1 (erste ungerade Zahl) eintragen
• den Wagen eine Position nach links bewegen
Das geht ganz flott und das
Ergebnis 56,08 ist sehr genau (Taschenrechner: 56,0803).