Was heißt schon alt?
Retro Computing
Mein Jahrgang: 1958! Vermutlich waren es zum einen die Raumfahrt-Berichtserstattungen (Günter Siefarth der "Raumfahrt Siefarth") der Sechziger-Jahre, die mich zuerst auf die Wunderdinge "Computer" aufmerksam gemacht haben. Mit Computerhilfe war es offenbar möglich, ein Raumschiff zum Mond zu schicken und es wieder zurückzuholen. Dann tauchten "Elektronengehirne" mit rotierenden Magnetbändern und blinkenden Lichtern in allen möglichen Filmen auf, wo sie entweder den Guten oder den Bösen bei der Suche nach der Weltherrschaft helfen sollten. Ich muss meine Begeisterung darüber auch so deutlich gemacht haben, dass ich 1969 plötzlich im Besitz eines "Computers" war. Das war ein Spielcomputer "Logikus" von Kosmos, dessen Konzept ich auch heute noch faszinierend finde: Wo in all den Drähten steckt eigentlich das Programm? Man bewegte Schieber hin und her und konnte damit z.B. das Problem von Ziege, Wolf und Kohlkopf lösen. Dann war eine Weile Ruhe.
Weiter ging es 1976 in der Gießener Liebigschule. Einige der Mathe- und Physiklehrer hatten Spender für den Kauf einer Olivetti Programme 101 finden können. Die war richtig teuer und richtig schwer! Das Foto kommt aus einem ebay-Angebot, wo man das gute Stück für 20.000 Euro kaufen könnte. Soviel hat sie damals wohl auch in DM gekostet. An Tagen der Offenen Tür spielte sie NIM gegen die Eltern und ansonsten durften sich Interessierte damit befassen. Die Programmierung war "maschinennah" und mühsam. Immerhin konnte die Programma Wurzeln ziehen!
Verglichen mit der Programma ist der HP 25 ein Zwerg, innerlich aber für die 1970er ein Riese. Mit 49 Programmschritten konnte man schon eine ganze Menge anfangen, z.B. auf dem Mond landen. Vor allem konnte ich damit Programmieren lernen. Ich bin der Schule noch immer sehr dankbar, dass ich eine solche Wundermaschine ausleihen durfte.
Mit einem Commodore 3032 und dann einem 8032 kam der nächste große Schritt. In dem Institut, in dem ich meinen Zivildienst gemacht habe, gab es eine 3032 aber erst mal niemanden, der dafür Programme schreiben konnte. Die Dokumentation war spärlich und kleinste Schritte brauchten Zeit. Das war mir egal. Ich war der (einer der) Herren der Maschine und bekam noch etwas Geld für meine "Arbeit". Vor einigen Jahren konnte ich einen Commodore 8032 kaufen. Da war einiges zu reinigen und trotzdem muss man die Tasten noch entschlossen drücken. Commodore hatte damals ziemlich klug eine Schnittstelle nach IEE488 eingebaut, über die man auch Geräte von Hewlett-Packard anschließen konnte, z.B. Plotter.
Mein Interesse für das Retro Computing bezieht sich aber nicht auf den Teil der Entwicklung, den ich selbst erfahren konnte, sondern auf dass, was aus Alters- oder Geldgründen an mir vorbeigegangen ist. Es gibt eine verblüffend große Community, die entweder echte alte Geräte pflegt oder sie über Simulatoren wiederbelebt. Um Letzteres geht es in einigen der folgenden Abschnitten.
Es geht auch ohne Strom! In der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts waren mechanische Rechenhilfen angesagt. Dazu gehörte natürlich der klassische Rechenschieber. In New York gibt es auf dem Flugzeugträger "Intrepid" eine Ausstellung, in der man einen Rechenschieber von Wernher von Braun sehen kann. Verbreitet waren aber auch Rechenmaschinen wie meine "Walther". Wenn man weiß wie, kann man damit schnell und sicher auch komplexe Rechnungen durchführen. Einiges davon zeige ich hier.
Inzwischen stehen in meinem Regal drei Nachbauten von klassischen Computern. Von unten nach oben sind das ein Altair 8800 (Altairduino von addwaterandstir), eine PDP-8/I und eine pdp11/70 (beide von Obsolescence Guaranteed). Die beiden PDPs laufen mit Raspis und simh als Simulationsbasis. Im Altair arbeitet ein Arduino Leonardo mit einer eigenen Simulationssoftware.
Die Spielmöglichkeiten „überlappen“ etwas, was die verfügbaren Betriebssysteme, die Software und die Programmiersprachen angeht. Ich habe mir deshalb überlegt, was ich für die jeweilige Maschine für typisch halte. Das war dann für den Altair Assembler (ASM) und ein wenig Fortran (F80), für die PDP-8/I FORTRAN und für die pdp11/70 Unix und C.
Dazu kommt - ganz neu - meine Enigma-E. Die Chiffriermaschine Enigma, die besonders im Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurde, ist z.B. auch aus dem Film "The Imitation Game" mit Benedict Cumberbatch (2014) bekannt. Es gibt eine ganze Reihe von Nachbauten und Simulationen. Mir gefiel ein Bausatz sehr gut, den ein virtuelles Cryptographiemuseum in den Niederlanden entwickelt hat,